Die re_use Linz Initiative: Gemeinsam zur Bauwende und Klimaneutralität
Weg von der Wegwerfmentalität, hin zu einem intelligenten, verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen: Die re_use Linz Initiative bringt Experten aus mehreren Bereichen zusammen, um die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen voranzutreiben. Beteiligt sind Unternehmer:innen, Architekt:innen und Ingenieur:innen sowie Repräsentant:innen der Politik und Verwaltung.

Die Industriestadt Linz hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 soll sie klimaneutral werden. Dabei wird die Bauindustrie eine wesentliche Rolle spielen müssen. Denn sie ist nicht nur für einen erheblichen Anteil der CO₂-Emissionen verantwortlich, sondern auch der größte Abfallverursacher Österreichs. Rund 60 Millionen Tonnen Bauabfälle entstehen jährlich – das entspricht etwa drei Vierteln des gesamten Müllaufkommens des Landes. Tendenz steigend: Allein zwischen 2015 und 2020 ist das Abfallvolumen im Bauwesen um 14 % gestiegen.
Vor diesem Hintergrund wurde die Initiative re_use Linz ins Leben gerufen. Sie bringt relevante Akteur:innen zusammen, fördert den Austausch und treibt Projekte im Bereich der Kreislaufwirtschaft in Bau, Immobilien und Abfall voran. Beteiligt sind nicht nur Unternehmer:innen, Architekt:innen und Ingenieur:innen, auch Repräsentant:innen von Politik und Verwaltung, sowohl als Kleislaufwirtschafts- und Finanzierungsexpert:innen gehören unabdingbar dazu. Denn damit die Transformation des Bauwesens auf technischer Ebene gelingen kann, braucht es auch ein Umdenken bei den gesetzlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen der Bauindustrie.
Erste Schritte
Den Auftakt der Initiative bildete der Kongress re_use Linz 2024, bei dem Expert:innen aus Bauwirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft gemeinsam über Wege zu einem zirkulären und klimaneutralen Linz beraten haben. Doch der Kongress war nur der erste Schritt, und die Arbeit geht nun in die nächste Runde.
Herzstück der Initiative sind drei thematisch fokussierte Arbeitsgruppen, in denen interessierte Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und Verwaltung über das ganze Jahr hinweg zusammenarbeiten.
Datenerhebung & Messung
Die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft erfordert neue Standards für die gemeinsame Nutzung von Daten. Dank der digitalen Technologie ist dies einfacher als je zuvor. Tatsache ist jedoch, dass die relevanten Daten meistens noch immer nicht gesammelt und geteilt werden. Welche Materialien sind in der Stadt bereits vorhanden, die wiederverwendet werden könnten (sogenanntes „Urban Mining“)? Wie viel Stahl oder Zement könnte beim Abriss von Gebäuden für andere Projekte zur Verfügung gestellt werden? Die Sicherstellung der Datenerhebung und -weitergabe ist eine Aufgabe, die Wissenschaft, Bauindustrie und Verwaltung gemeinsam angehen müssen.
Planung & Finanzierung
Die derzeitigen Regeln und Normen für die Planung und Finanzierung von Neubauten basieren auf dem alten Modell von „Gewinnung, Verwendung und Entsorgung“. Die Aufgabe besteht darin, schnell und zu niedrigen Kosten zu bauen. Dabei werden die langfristigen Kosten und die CO₂-Bilanz, die ein Gebäude während seiner Lebensdauer (und darüber hinaus) verursacht, nicht berücksichtigt. Es müssen neue Standards entwickelt werden, die das Bauen nach den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft attraktiv, bezahlbar und praktikabel machen.
Rückbau & Urban Mining
In einer Kreislaufwirtschaft muss der Abbau eines Gebäudes oder Bauwerks sorgfältig geplant werden. Materialien müssen möglichst sortenrein getrennt werden, damit sie wiederverwendet oder recycelt werden können. Das steht im Gegensatz zum klassischen Abriss, bei dem Materialien meist gemischt entsorgt werden und kaum wiederverwendbar sind. Schon beim Bau sollten Materialien so gewählt und verbaut werden, dass sie später leicht getrennt und wiederverwertet werden können („Design for Disassembly“).
Die Bauwende als Gemeinschaftsaufgabe
Die Herausforderung dieser Transformation ist nicht nur technischer, sondern auch politischer Natur. Sie wird nur gelingen, wenn Stadt und Land, Politik und Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen.
„Jeder Teilnehmer der Initiative bringt Expertise und Handlungsfähigkeit in seinem jeweiligen Feld mit und kann so einen bedeutenden Beitrag leisten, um weitere Potenziale zu finden sowie einen konkreten Fahrplan aufzustellen“, sagt dazu Dietmar Prammer, Bürgermeister der Stadt Linz.
So verschieden sie in ihrer Expertise sind, so vereint sind sie in ihrem Ziel: Weg von der Wegwerfmentalität, hin zu einem intelligenten, verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. re_use Linz ist damit Teil einer größeren Vision – einer Stadt, die wirtschaftlich stark, sozial gerecht und ökologisch zukunftsfähig ist.
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“Es ist unheimlich wichtig, dass in der Stadt eine Atmosphäre entsteht: Wir wollen das so.”
Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kuchta ist Direktorin des Instituts für Circular Resource Engineering and Management an der Technischen Universität Hamburg. Sie hat als Keynote Speakerin die re_use Linz Convention 2024 mit ihrer Expertise zum Thema Kreislaufwirtschaft bereichert. Kürzlich unterhielten wir uns mit ihr über die Entwicklung von neuen Standards im Bauwesen, die Wichtigkeit von guter Datenerhebung – und die besondere Rolle, die Städte bei der Klimawende spielen.

re_use Linz 2024: Ein Meilenstein für klimaneutrales Bauen
Herkömmliche Baumethoden folgen einem linearen Modell: ‘Gewinnung, Verwendung und Entsorgung’. Was als Konsequenz hat, dass die industrie für 35 % der Abfälle in Österreich verantwortlich ist. Die Stadt Linz strebt eine Zukunft an, wo alle Gebäuden kreislauffähig geplant, gebaut, betrieben und rückbaubar sein. Der erste re_use Linz Kongress fand am 24. Oktober 2024 im Lentos Museum Linz.