re_use Linz 2024: Ein Meilenstein für klimaneutrales Bauen

Als bedeutende Adresse für avantgardistische Kunst empfängt das Lentos Museum Linz über eine Million Kunstfreunde im Jahr. Doch am 24. Oktober 2024 öffnete der moderne Glasbau an der Donau seine Türen auch für Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen der Bauindustrie. Sie hatten dabei alle ein gemeinsames Ziel: eine klimaneutrale Zukunft im Bauwesen.
Der re_use Linz Kongress 2024 war ein Meilenstein für die Stadt Linz auf den Weg zu einer zukunftsweisenden Kreislaufwirtschaft in Bau, Immobilien und Abfall. Mit rund 150 Teilnehmer:innen, über 40 Unternehmen und 12 renommierten Sprecher:innen bot er eine Plattform für den Austausch von Best Practices und die Diskussion innovativer Ansätze rund um Kreislaufwirtschaft im Bausektor.
‘Als ich in Linz auf dem re_use Kongress war, hatte ich das Gefühl, dass da eine Community ist, die gemeinsam daran arbeiten will,’ meinte Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kuchta, Director Institute of Circular Resource, Engineering and Management, TU Hamburg, die als Keynote Speakerin beim Kongress auftrat. ‘Es ist unheimlich wichtig, dass in der Stadt eine Atmosphäre entsteht: “Wir wollen das so.”’
Linz: Klimaneutralität bis 2040
Der Kongress markierte den offiziellen Start der Initiative re_use Linz, die öffentliche und private Akteur:innen zusammenbringt, um gemeinsam die Weichen für eine emissionsarme Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu stellen. Sie wird von der Stadt Linz und der LINZ AG sowie den Unternehmen Strabag und Swietelsky getragen und zielt darauf ab, nachhaltige Methoden und Geschäftsmodelle in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu fördern.
Linz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Die Stadt an der Donau ist mit über 200.000 Einwohner die drittgrößte Stadt Österreichs und gilt als wichtiges Industriezentrum. Um ihr Ziel zu erreichen, entwickelt die Stadt ehrgeizige und innovative Lösungen in mehreren Bereichen – unter anderem im Bauwesen.
Dabei spielt die Kreislaufwirtschaft eine entscheidende Rolle. Herkömmliche Baumethoden folgen einem linearen Modell: ‘Gewinnung, Verwendung und Entsorgung’ (Englisch: ‘take, make, dispose’). Was als Konsequenz hat, dass die Bauindustrie für 35 % des Verbrauchs und die Hälfte der Abfälle in Europa verantwortlich ist.
Im Gegensatz dazu wird bei einem zirkulären Ansatz der Schwerpunkt auf Vermeidung und Wiederverwendung gelegt. Statt Materie neu zu extrahieren, werden etwa aus baufälligen Gebäuden Stoffe wie Beton und Stahl wieder verwendet. Das Ziel ist, den Lebenszyklus sowohl von Gebäuden als auch von Komponenten zu verlängern. Dies verringert nicht nur den Bedarf an Rohstoffen, sondern senkt auch die Baukosten und verbessert die Energieeffizienz.
Dietmar Prammer, Bürgermeister der Stadt Linz, betont hierzu die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um gemeinsam das Ziel der Klimaneutralität zu erreichern: ‘In einer klimaneutralen Industriestadt bis 2040 müssen auch die Gebäude künftig kreislauffähig geplant, gebaut, betrieben und rückbaubar sein. […] Nun brauchen wir ein effektives Netzwerk der wichtigen Player, um alle Hebel in Gang legen zu können für diese große Transformation zur Kreislaufwirtschaft.’

Der erste re_use Linz Kongress
Beim Kongress trafen sich die Mitglieder dieses neuen Netzwerkes, um Erfahrungen auszutauschen und sich von Expert:innen über Wege zu einem klimaneutralen Linz beraten zu lassen.
In den “Exchange Sessions” präsentierten nationale und internationale Expert:innen erfolgreiche Projekte und teilten ihre Erfahrungen zur Umsetzung klimaneutraler Bauvorhaben. Dabei ging es um neue Baumethoden, aber auch um wichtige Themen wie Datenerhebung und die Anpassung des gesetzlichen Rahmens. In mehreren parallel laufenden Workshops wurden die wichtigsten Themen am Weg zum klimaneutralen Bauen in Linz behandelt: Datenerhebung und Messung, Planung und Finanzierung, Betrieb und Rückbau.
Highlight des Programms waren die beiden Keynote Speaker:innen. Peter Engert von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) redete über die zukünftigen Veränderungen im Bau- und Immobiliensektor in Linz im Kontext europäischer und nationaler Vorgaben. Und Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kuchta von der Technischen Universität Hamburg berichtete über ihre Erfahrungen beim EU Horizon Projekt “Circular Construction in Regenerative Cities (CIRCuIT)”. Dabei beteiligten sich zwischen 2019 und 2023 31 Partner aus Hamburg, Helsinki, London und Kopenhagen, mit dem Ziel herauszufinden, wie neue Ansätze der Kreislaufwirtschaft in ganz Europa skaliert und repliziert werden können.
“Heute wollen viele nicht mehr über Klimaschutz sprechen – da hat eine Art Müdigkeit eingesetzt,” sagte sie. “Aber die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist gerade sehr populär und ich meine, wir sind uns alle einig: Ohne Kreisläufe keine Klimaneutralität und auch kein nachhaltiges Leben auf diesem Planeten.”
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Die re_use Linz Initiative: Gemeinsam zur Bauwende und Klimaneutralität
Weg von der Wegwerfmentalität, hin zu einem intelligenten, verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen: Die re_use Linz Initiative bringt Experten aus mehreren Bereichen zusammen, um die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen voranzutreiben. Beteiligt sind Unternehmer:innen, Architekt:innen und Ingenieur:innen sowie Repräsentant:innen der Politik und Verwaltung.

“Es ist unheimlich wichtig, dass in der Stadt eine Atmosphäre entsteht: Wir wollen das so.”
Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kuchta ist Direktorin des Instituts für Circular Resource Engineering and Management an der Technischen Universität Hamburg. Sie hat als Keynote Speakerin die re_use Linz Convention 2024 mit ihrer Expertise zum Thema Kreislaufwirtschaft bereichert. Kürzlich unterhielten wir uns mit ihr über die Entwicklung von neuen Standards im Bauwesen, die Wichtigkeit von guter Datenerhebung – und die besondere Rolle, die Städte bei der Klimawende spielen.